1. Kongress am 24. April 2015

Initiativen zur Außergerichtlichen Streitbeilegung im Bauwesen bündeln – Gemeinsam mehr erreichen

im Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin

Programm

09.00
Uhr Grußwort
Bundesjustizminister Heiko Maas, BM der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin

09.15 Uhr
Vergleich zwischen Gerichtlicher und Außergerichtlicher Streitbeilegung im Bauwesen
Univ.-Prof. Dr. jur. Rainer Schröder, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, privates Bau- und Immobilienrecht sowie Rechtsgeschichte, Humboldt-Universität zu Berlin

10.00 Uhr
Schlichtung und Mediation – Eignungsmerkmale
Prof. Dr. jur. Klaus Englert, Vorstand des Instituts für Deutsches und internationales Baurecht an der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin

10.40 Uhr Kaffeepause

11.10 Uhr
Adjudikation – Warum die Bauwirtschaft dieses Verfahren braucht
Prof. Dr. jur. Jörg Risse, LL.M, Partner Baker & McKenzie, Frankfurt/Main

11.50 Uhr
Schiedsgericht und Schiedsgutachten – Eignungsmerkmale
Prof. Dr. jur. Rolf Kniffka, Vorsitzender Richter des VII. Zivilsenats am BGH Karlsruhe a. D.

12.30 Uhr Gemeinsames Mittagessen

14.00 Uhr
Fallbeispiele Außergerichtlicher Streitbeilegung im Bauwesen
Günther Jansen, VRiOLG Hamm a. D., Dr.-Ing. Rainer Schofer, öbuv SV, Berlin, Dipl.-Ing. Thomas Hofbauer, Vice-President + Managing Director, Hill International (Deutschland) GmbH, München

14.35 Uhr
Konfliktvorbeugung beim öffentlichen Auftraggeber
Dipl.-Ing. Architekt Dieter Grömling, Leiter der Abteilung Forschungsbau – Technik-Immobilien, Max-Planck-Gesellschaft – GV, München

15.10 Uhr Kaffeepause

15.40 Uhr
Konzepte zur Aus- und Weiterbildung von Baujuristen und Bausachverständigen für die Außergerichtliche Streitbeilegung
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Claus Jürgen Diederichs, FRICS, Vorstandsvorsitzender der DGA-Bau e. V., Berlin, öbuv SV Diederichs . Peine, München – Berlin

16.15 Uhr
Podiumsdiskussion mit Referenten und Gästen: Bedarf nach gesetzlicher Einführung der Außergerichtlichen Streitbeilegung im Bauwesen über § 278a ZPO hinaus
Moderation: Dr. jur. Christian Felix Fischer, Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte . Steuerberater, München, Dipl.-Ing. Michael Depping, öbuv SV, Wolfratshausen

17.00 Uhr Veranstaltungsende

(alle Vorträge inkl. 10 Minuten für die jeweils anschließende Diskussion)


Tagungsbericht

Unter diesem Rahmenthema fand am 24.04.2015 der 1. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Außergerichtliche Streitbeilegung im Bauwesen e. V. (DGA-Bau / Organisator) zusammen mit dem Institut für Deutsches und Internationales Baurecht der Juristischen Fakultät, Vorstand Univ.-Prof. Dr. jur. Rainer Schröder, im Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin mit über 120 Teilnehmern statt.

Das einleitende Grußwort von Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, wurde von Frau Ministerialdirektorin Beate Kienemund, Leiterin der Abteilung I (Bürgerliches Recht) im BMJV, verlesen. Besonderen Beifall fand die Aussage: „Die Änderungswünsche für Gerichtsprozesse in Bausachen zeigen uns aber auch: Gerade hier sind auch außergerichtliche Lösungen gefragt.“

Der „Hausherr“ des 1. Kongresses, Univ.-Prof. Dr. jur. Rainer Schröder, stellte in seinem Referat „Streitbeilegung im Bauwesen“ heraus: „Die rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien führen in Baurechtsverfahren oftmals dazu, dass kein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden kann, weil die Kosten außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Erfolg stehen.“

Schröder betonte: „Vertrauen ist beim Prozess des Bauens, in der Koordination der Abläufe, etc. sowie in Verhandlungen entscheidend.“ Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung hätten gute Chancen, „wenn der Wille zur Einigung bei beiden Parteien besteht. Dann braucht man oft die komplizierten Mechanismen nicht, dann kann die Vereinbarung, das Gespräch zwischen den divergierenden Interessenvertretern (ggf. mit rationaler Gutachterhilfe) ausreichen.“

Prof. Dr. jur. Klaus Englert, Vorstand des Instituts für Deutsches und Internationales Baurecht an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und der Baurechtler für das Baugrund- und Tiefbaurecht, erläuterte in seinem Referat die Eignungsmerkmale der „Schlichtung und Mediation“. Er führte zusammenfassend aus: „Mediation und Schlichtung sind grundsätzlich sehr gut geeignet, Baustreitigkeiten einer schnellen, fairen, kostengünstigen, gesichtswahrenden, emotionslosen, vertraulichen, fachlich richtigen und ausgewogenen Streitlösung zuzuführen.“

Prof. Dr. jur. Jörg Risse, LL. M., Partner bei Baker & McKenzie Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern mbB, Frankfurt/Main, plädierte in seinem Referat „Adjudikation – Warum die Bauwirtschaft dieses Verfahren braucht“ für das Adjudikationsverfahren unter folgenden Voraussetzungen: „Die Parteien setzen die Adjudikation baubegleitend ein und investieren von Anfang an in dieses Verfahren, indem Adjudikatoren bestellt werden, die periodisch auch bei fehlenden Konflikten über den Baufortschritt informiert werden. … Die Parteien investieren in einen professionellen Adjudikator, der auch die notwendige Kompetenz zur organisatorischen Leitung und Durchführung eines solchen Verfahrens hat.“

Prof. Dr. jur. Rolf Kniffka, Vorsitzender Richter des VII. Zivilsenats am BGH a.D., Karlsruhe, erinnerte in seinem Referat „Schiedsgericht und Schiedsgutachten – Eignungsmerkmale“ einleitend daran, dass das Rahmenthema des 1. Kongresses eine Initiative des Deutschen Baugerichtstages aufgreife, der von Anfang an nach Wegen gesucht habe, die von ihm sogenannte „Spirale des Unfugs“ zu beenden. Schlechte rechtliche Rahmenbedingungen, allen voran das für Bauverträge teilweise kontraproduktive Vergaberecht, seien die Ursache für viele Streitigkeiten. Prof. Kniffka erläuterte dann beide Verfahren nach den Merkmalen sachliche Qualität, Zeit, Kosten und Nachhaltigkeit und stellte zusammenfassend fest: „Das Schiedsverfahren ist einem staatlichen Gerichtsverfahren in komplexen Streitsachen vorzuziehen, wenn es in die Hand eines kompetenten, erfahrenen Schiedsgerichts gelegt ist, das auch zeitlich in der Lage ist, das Verfahren zügig zu bewältigen.“

Dipl.-Ing. Architekt Dieter Grömling, Leiter der Abteilung Forschungsbau – Technik-Immobilien der Max-Planck-Gesellschaft in München widmete sein Referat dem Thema „Konfliktvorbeugung beim öffentlichen Auftraggeber“. Als die drei häufigsten Ursachen von Konflikten am Bau nannte er:

  • Bedarf und Budget stimmen nicht überein!
  • Der Bauherr weiß nicht konkret genug, was er will!
  • Die beteiligten Menschen agieren nicht optimal!

Im Weiteren erläuterte er die Arbeitsergebnisse des von ihm geleiteten Arbeitskreises 6 der DGA-Bau (Konfliktvorbeugung für Bau- und Infrastrukturprojekte beim öffentlichen Auftraggeber) mit den sechs Unterarbeitskreisen

  • Außergerichtliche Streitbeilegung
  • Risikoabbildung im Haushalt
  • Flexibilität bei Bauvergaben
  • Faktor Mensch
  • Einfachheit beim Bauen
  • Analyse von Konfliktursachen

Sein Fazit lautete: „Je professioneller „am Bau Beteiligte“ gemeinsam handeln, je konsequenter sie zu Beginn für Klarheit sorgen, desto weniger Konflikte gibt es und um so höher ist die Chance auf außergerichtliche Streitbeilegung im Konfliktfall.“

Nach seinem Referat trug Grömling stellvertretend für Dr.-Ing. Rainer Schofer, Vorstandsmitglied der DGA-Bau und ö.b.u.v. Sachverständiger aus Berlin, das Beispiel einer von Schofer für die Parteien erfolgreich durchgeführten Mediation bei einem Bauvorhaben der Max-Planck-Gesellschaft vor. Beim ersten Streitgegenstand ging es um einen Nachtrag über Mehrkosten aus gestörtem Bauablauf in Folge von Schlechtwetter und Mehrkosten aus beschleunigtem Bauablauf. Beim zweiten Streitgegenstand ging es um Mehrkosten eines großen Traggerüstes für den auskragenden Bauteil des Institutsgebäudes im Bauzustand.

Anschließend berichtete Günther Jansen, Vorsitzender Richter am OLG a. D., Hamm, über seine praktischen Erfahrungen und Beispiele mit der außergerichtlichen Streitbeilegung, bezogen auf 21 eigene Verfahren der letzten zwei Jahre, bestehend aus 5 Schiedsgerichtsverfahren, 12 Schlichtungs- bzw. Adjudikationsverfahren und 4 Schiedsgutachten. Er konstatierte, dass gerade im Baubereich ein großes Bedürfnis nach außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren bestehe, die unter fachkundiger Leitung auf eine möglichst zeitnahe Einigung unter den Parteien angelegt seien. Diesem Bedürfnis kämen die marktgängigen Schlichtungs- / Adjudikationsmodelle nach. Die Entwicklung weiterer Modelle halte er daher für nicht wünschenswert. Seine praktischen Erfahrungen seien eindeutiger Beleg dafür, „dass der mit dem vertraglich geregelten Schlichtungs- / Adjudikationsverfahren eingeschlagene Weg gerade im Bausektor richtig ist und die Bemühungen um eine weiterer Verbreitung dieses Streitschlichtungsmodells konsequent fortgesetzt werden sollten.“

Dipl.-Ing. Thomas Hofbauer, Vice-President + Managing Director, Hill International GmbH (Deutschland), München, stellte zunächst ein konkretes Fallbeispiel vor und erläuterte anschließend mit 13 anschaulichen Graphiken die Ergebnisse einer Studie über die „Anwendung von Adjudikationsverfahren im UK“ des Adjudication Reporting Center der Glasgow Caledonian University, Report Trushell, Milligan & Cattanach, Oktober 2012.

Unter dem Titel „Konzepte zur Aus- und Weiterbildung von Baujuristen und Bausachverständigen für die außergerichtliche Streitbeilegung“ gab Univ.-Prof. Dr.-Ing. Claus Jürgen Diederichs, FRICS, Vorstandsvorsitzender der DGA-Bau, ö.b.u.v. Sachverständige Diederichs . Peine, München – Berlin, einen Überblick über die Curricula für die Aus- und Weiterbildung außergerichtlicher Streitbeileger der bestehenden Institutionen, d. h. der ARGE Baurecht, des Deutschen Baugerichtstages (DBGT), der Deutschen Gesellschaft für Baurecht (DGfB), der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), der Royal Institution of Chartered Surveyors RICS Deutschland GmbH (RICS), des Verbandes der Bau- und Immobilienmediatoren (VdBau) und der DGA-Bau. In einer vergleichenden Auswertung verdeutlichte er die Vielzahl bestehender Verfahrensordnungen, Nennungen in Streitbeilegerlisten, Curricula für die Aus- und Weiterbildung, Fortbildungseinrichtungen sowie Bestellungs- und Benennungsinstanzen. Zusammenfassend stellte er fest, dass wegen zahlreicher Unterschiede zwischen den bestehenden Institutionen für die außergerichtliche Streitbeilegung im Bauwesen (ASB-Bau) die Nachfrage nach deren Angebot noch sehr gering sei. Es sei von deutlich weniger als 1.000 Fällen pro Jahr auszugehen. Die Nachfrager nach einem für ihren jeweiligen Konfliktfall geeigneten adäquaten Streitbeilegungsverfahren seien verunsichert wegen offener Fragen zum ASB-Bau-Verfahren, zu dem geeigneten Streitbeilegungsgremium und zur Nachhaltigkeit der erzielten Streitlösung bzw. Streitentscheidung. Daher bedürfe es der Arbeit des am 16.03.2015 auf Initiative der DGA-Bau konstituierten „Round-Table Außergerichtliche Streitbeilegung (RT ASB-Bau)“, in dem sich die bestehenden Institutionen für die ASB-Bau darum bemühen, für den bisher ungeregelten und intransparenten Markt von allen Institutionen als wichtig erachtete, gemeinsam anerkannte Regeln zu schaffen und diese flächendeckend zu veröffentlichen.

Die abschließende Podiumsdiskussion widmete sich dem Thema „Bedarf nach gesetzlicher Einführung der Außergerichtlichen Streitbeilegung im Bauwesen über § 278 a ZPO hinaus“. Sie wurde moderiert von Dr. jur. Christian Felix Fischer, Partner bei Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater mbB, München, und Dipl.-Ing. Michael Depping, ö.b.u.v. Sachverständiger, Wolfratshausen. Zusätzlich zu den Referenten waren als Gäste eingeladen Dr. jur. Martin Jung, Vorsitzender des Verbandes der Bau- und Immobilienmediatoren, Berlin, Partner bei Kapellmann & Partner Rechtsanwälte mbB, Berlin, sowie Dipl.-Ing. Peter Kalte, Geschäftsführer der GHV Gütestelle Honorar- und Vergaberecht e. V., Mannheim. Die Frage, ob es seitens des Gesetzgebers verpflichtender Vorgaben zur vorgerichtlichen Durchführung außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren bedarf, konnte nicht abschließend beantwortet werden. Eine gesetzliche Regelung werde die Anwendung der außergerichtlichen Streitbeilegung sicherlich verbreitern. Grundsätzlich sei die freiwillige Durchführung außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren jedoch zu bevorzugen. Als Gründe dafür, weshalb diese in der Praxis noch eine untergeordnete Rolle spielen, wurden die fehlende Kenntnis über die unterschiedlichen Verfahren, ihre Inhalte und die damit verbundenen Möglichkeiten bei den Auftragnehmern, Auftraggebern und deren Beratern – hier vor allem auch die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte , die bestehende Intransparenz der Anbieter außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren und die mangelnde Ausbildung in Konfliktmanagement, Verhandlungsmanagement und Kommunikation bereits im Studium und auch im Beruf identifiziert. Der Wunsch der Marktteilnehmer nach rechtlichen Rahmenbedingungen und der Regelungsbedarf durch den Gesetzgeber für eine verpflichtende außergerichtliche Streitbeilegung vor Anrufung staatlicher Gerichte müsse deutlicher gegenüber dem Gesetzgeber kommuniziert werden. Im Zuge gesetzlicher Bestimmungen müsse auch der Methodenvielfalt Rechnung getragen werden. Ein Ergebnisprotokoll der Podiumsdiskussion wird kurzfristig seitens der DGA-Bau veröffentlicht werden.

Die Dokumentation über den 1. Kongress der DGA-Bau zusammen mit dem Institut für Deutsches und Internationales Baurecht der Humboldt-Universität zu Berlin ist bei der DGA-Bau zum Preis von 53,50 € inkl. 7 % MwSt. erhältlich (info@dga-bau.de).

Der zweite Kongress der DGA-Bau wird wiederum zusammen mit der Juristischen Fakultät am 22.04.2016 im Senatssaal der Humboldt-Universität zu Berlin mit dem Rahmenthema „Fortschritte der Außergerichtlichen Streitbeilegung im Bauwesen“ stattfinden. Das Tagungsprogramm wird sobald wie möglich auf der Internetseite der DGA-Bau (www.dga-bau.de) veröffentlicht werden.

C. J. Diederichs


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