2. Außergerichtliche Streitlösung mit nicht entscheidungsbefugten Dritten
2.3 Mini-Trial
a) Verfahrensbeschreibung
In diesem Verfahren präsentieren die Rechtsanwälte der Parteien in komprimierter Form jeweils den Sachverhalt aus der Sicht ihrer Partei und ihre Argumente in Anwesenheit hochrangiger Entscheidungsträger der Parteien und eines neutralen Dritten. Diese können aufgrund der Vorträge ein eigenes Bild der Lage gewinnen. Nach Abschluss der Präsentation treten die Parteien und /oder das gebildete Gremium unter der Moderation des neutralen Vorsitzenden in Vergleichsverhandlungen ein und erarbeiten einen Vergleichsvorschlag. Der neutrale Dritte trägt im Zuge der Vergleichsverhandlungen seine Bewertung der Sach- und Rechtslage vor. Das Mini-Trial kann aber auch einer realitätsnahen Prozessrisikoanalyse dienen, wenn der neutrale Dritte unmittelbar nach den Vorträgen der Parteien seine vorläufige Einschätzung abgibt. Das Verfahren eignet sich überwiegend bei Sachkonflikten mit Sach- und Rechtsfragen, wenn eine Beweisaufnahme nicht erforderlich ist.
Ziel des Mini-Trials ist es, den mit einer Lösungsfindung betrauten Entscheidungsträgern der Parteien beide Standpunkte darzulegen, damit diese ohne Emotionen und Vorbelastungen aus dem Projekt im Verhandlungswege zu einer objektiv vernünftigen Lösung kommen. Die Lösungsfindung wird durch die Darlegung des Standpunktes des neutralen Dritten unterstützt.
Als Stärken des Mini-Trials werden zum einen die Versachlichung und die Herausnahme von Emotionen durch die Einschaltung von Entscheidungsträgern aus höheren Ebenen und der disziplinierende Effekt genannt, weil sich die Parteien intensiv mit den einschlägigen Rechtsfragen auseinandersetzen müssen und so die eigene Wahrnehmung relativiert wird. Auch die bei den Entscheidungsträgern mitschwingende Gefahr eines Gesichtsverlustes bei oder infolge erfolgloser Verhandlungen befruchtet die Einigungsbereitschaft der Parteien.
Als Schwäche ist festzustellen, dass die Einrichtung von Mini-Trials bisher praktisch kaum verbreitet ist. Darüber hinaus ist die Eingriffsintensität durch die Einschaltung des neutralen Dritten höher als bei einer reinen Prozessrisikoanalyse, bei der es lediglich um die kritische Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten geht, weil der Dritte im Mini-Trial eine eigene Einschätzung hinsichtlich des gesamten Prozessausgangs abgibt, so dass, je nach Wahl des Zeitpunkts der Offenbarung des Standpunktes des Dritten, die Vergleichsverhandlungen durch den Dritten beeinflusst oder gar belastet werden.
In der Abgrenzung liegt das Mini-Trial nahe an der Schlichtung. Es unterscheidet sich aber im Wesentlichen dadurch, dass seitens des Dritten kein Vorschlag zur Lösung des Konflikts unterbreitet wird, der durch die Parteien angenommen werden kann. Durch die Mitteilung seiner Einschätzung und die Diskussion seiner Einschätzung mit den Parteien unterscheidet sich das Mini-Trial auch von der Mediation.