3. Außergerichtliche Streitlösung mit entscheidungsbefugten Dritten

3.2 Dispute Boards

a) Verfahrensbeschreibung

Mit Dispute Board (DB) bezeichnet man ein baubegleitendes Gremium, das die Vertragspartner gemeinsam mit baustellenerfahrenen, unparteiischen Mitgliedern besetzen. Diese werden verpflichtet, von Baubeginn bis Bauende ständig und umfänglich in Kenntnis aller vertraglich relevanten Umstände und Entwicklungen sowie des bisherigen und zu erwartenden Baufortschritts zu bleiben. Das DB unternimmt dazu mit den Parteien in regelmäßigen Abständen (und zusätzlich auf Anfrage) Baustellenbegehungen. Zu den dabei vorgetragenen Problemen (nicht zuletzt mit Kosten und Terminen) gewährt das DB beiden Parteien Gehör und bietet operativ angezeigte und vertragsrecht¬lich geordnete Lösungen. DBs sind im Ausland mittlerweile regelmäßig, in Deutschland noch zu selten anzutreffen.

DB leisten Konfliktvorbeugung und -behandlung nahezu in „real-time” und zielen auf eine regelmäßige Konfliktbereinigung während der Bauausführung. Sie werden vertraglich vereinbart, so z.B. bei Abschluss jedes FIDIC-Vertrags oder durch Bezugnahme auf gepflegte DB-Regelwerke, etwa der International Chamber of Commerce (ICC), der DIS-AVO und der AO-Bau des DBGT. Solche Regelwerke unterscheiden zwischen DB, die Empfehlungen aussprechen (Dispute Review Boards, kurz „DRB”) und solchen, die zwingend umzusetzende Entscheidungen treffen (Dispute Adjudication Boards, kurz „DAB”). Zur Wahrung der Überprüfbarkeit einer Empfehlung oder Entscheidung durch ein nachgelagertes (Schieds-)Gerichtsverfahren muss ihr innerhalb gesetzter Frist widersprochen werden. Die hohe Akzeptanz – bereits von Empfehlungen – hat ihre Ursache im Vertrauen der Parteien auf die projektrelevante Bauerfahrung der von ihnen gemeinsam ausgewählten DB-Mitglieder, in deren unabhängige, faire und kompetent begründete Bewertung strittiger Fragen sowie in die kurzfristigen pragmatischen Antworten auf die jeweils aktuellen Probleme der Planung und der Baustelle.

Die Stärken der DBs liegen mitunter in der Förderung der geordneten, objektiven Kooperation der Beteiligten und der Begünstigung der Findung beständiger Einigungen. Sie halten Baustellen somit von einer Vielzahl einzelner ungelöster Probleme bestmöglich frei und verhindern deren weitere Verschleppung, Verkettung und Eska¬lation zu handfesten Rechtsstreitigkeiten, die sonst nur noch mit hohem Aufwand und Kosten, und zudem regelmäßig retrospektiv aufgelöst werden könnten. DAB-Entscheidungen müssen und können ein Blockieren der Baustelle verhindern.

Wer eine spätere konfliktuelle Streitbeilegung durch (Schieds-)Gerichte nicht scheut, der kann die konstruktive Konfliktsteuerung eines DB natürlich durch notorischen Widerspruch torpedieren und damit schwächen. Für eine obstruktive Gesinnung aber sind die Kosten eines DB (das sind in der Regel monatliche Pauschalen und Tagessätze für Baustellenzeiten der DB-Mitglieder) hoch – wie bei jedem anderen zunächst kooperativ vereinbarten und dann dennoch torpedierten Verfahren auch.

In der Abgrenzung sind Dispute Boards wie auch nur die Adjudikation baubegleitend. Da die Mitglieder vom Fach sind und die Baustelle und deren Lenker kennen, können sie Konflikten vorbeugen oder sie zeitnah lösen, anstatt sie ausgewachsen einem anderen Verfahren zur Entscheidung im Nachhinein zu überlassen. Im Übrigen verknüpfen DB die Vorteile anderer Verfahren. Wie Mediationen favorisieren DB Konsens und Einlenken. Wie Schlichtungen formulieren DRB Lösungsvorschläge. Wie Adjudikationen treffen DAB vorläufig bindende Entscheidungen.