3. Außergerichtliche Streitlösung mit entscheidungsbefugten Dritten

3.1 Adjudikation

a) Verfahrensbeschreibung

Adjudikation ist ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren, welches während der Planungs- und Bauphase, insbesondere bei Großbauvorhaben, zum Einsatz kommt. Beim Adjudikationsverfahren werden – auf Antrag einer Partei – unabhängige Fachleute berufen, um die aufgetretenen Konflikte zu analysieren und zu lösen. Die Adjudikation ist in Deutschland derzeit nicht gesetzlich geregelt, sondern muss vertraglich von den Parteien vereinbart werden (siehe z. B. die Regelungen in den FIDIC-Books, die DIS-Verfahrensordnung zur Adjudikation, die SL-Bau und die AO-Bau des Arbeitskreises VII des Deutschen Baugerichtstages (DBGT)). Das Ziel ist die sofortige Lösung von Konflikten, bevor diese sich zu zeit- und kostenintensiven Rechtsstreitigkeiten ausweiten.

Die sog. Adjudikatoren, welche als Einzeladjudikator oder auch im Team bestellt werden können (siehe dazu unter Dispute Adjudication Board), prüfen im Konfliktfall sowohl die baubetrieblich als auch juristisch relevanten Belange der streitigen Ansprüche. Um eine zügige Konfliktlösung zu erreichen, ist der Adjudikator gehalten, seine Entscheidung bereits innerhalb einer sehr kurzen Frist zu fällen, oft nur wenige Wochen nach der Anspruchsgeltendmachung. In dieser Zeit muss der Adjudikator den Sachverhalt ermitteln, den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme geben und eine abschließende Verhandlung mit den Parteien durchführen. Mit Zustimmung der Parteien darf er dabei auch Sachverständige einschalten. Wegen der kurzen Fristen nimmt der Adjudikator allerdings nur eine eingeschränkte, summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage vor. Langjährige technisch-juristische Auseinandersetzungen werden so vermieden. Das Recht zur eigenen Ermittlung des Sachverhaltes unterscheidet das Adjudikationsverfahren ganz wesentlich von einem ordentlichen Gerichtsverfahren. Die Entscheidung des Adjudikators ist vorläufig verbindlich und muss – ggf. unter Sicherheitsleistung – befolgt werden. Eine Weigerung stellt eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar und kann Schadensersatz- und Kündigungsrechte der anderen Partei begründen. Die Adjudikationsentscheidung kann allerdings später, häufig erst nach Abschluss der vereinbarten Bauleistungen, von einem ordentlichen Gericht oder einem Schiedsgericht überprüft werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die unterliegende Partei gegen den Adjudikationsspruch rechtzeitig Widerspruch eingelegt hat. Theoretisch kann das mit der Sache befasste Gericht bzw. Schiedsgericht im Nachhinein die Adjudikationsentscheidung wieder aufheben. Die Erfahrungen in Großbritannien, wo die Adjudikation seit 1998 gesetzlich geregelt ist, zeigen jedoch, dass dies nur sehr selten geschieht. Meistens wird die Adjudikationsentscheidung von den Parteien akzeptiert bzw. dient als tragfähige Grundlage für eine einvernehmliche vergleichsweise Lösung. Vor diesem Hintergrund ist großer Wert auf die Auswahl der Adjudikatoren zu legen. Sie müssen sowohl technisch-sachverständige als auch rechtliche Qualifikationen aufweisen, wobei eine langjährige Erfahrung bei der Durchführung von Baumaßnahmen entscheidend ist.

Der Vorteil der Adjudikation liegt in der Lösung und Entschärfung von Konflikten, bevor diese sich verselbständigen und sich zu vielen maßlosen Ansprüchen und Gegenansprüchen ausweiten („Claim-Gebirge“) und damit die Projektarbeit ernsthaft gefährden („verbrannte Baustelle“). Durch Adjudikation werden unberechtigte Leistungseinstellungen, Zahlungseinbehalte und andere Blockadehaltungen verhindert. Bereits innerhalb weniger Wochen bzw. Monate muss das Adjudikationsverfahren abgeschlossen und die Baustelle befriedet werden. Dies sichert zudem den Cash Flow des Unternehmers, da unberechtigte Zahlungseinbehalte durch die Adjudikation kurzfristig verhindert werden. So wird Planungs- und Kostensicherheit geschaffen. Die Kosten einer Adjudikation liegen zudem deutlich unter denen eines ordentlichen Gerichtsverfahrens. Etwaige verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Adjudikation in Deutschland gelten nach Vorlage des Gutachtens von Hans-Jürgen Papier, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, vom 14.05.2013 als ausgeräumt.

Der Nachteil der Adjudikation liegt in der nur summarischen Sach- und Rechtsprüfung der Streitpunkte. Ferner sind die Adjudikations-Entscheidungen häufig für andere Projektbeteiligte, etwa Nachunternehmer, nicht bindend, da eine Streitverkündung, wie im Prozess, kaum möglich ist. Auch die Vollstreckung des Adjudikationsspruchs ist schwierig. Die vorgenannten Nachteile sind in der Praxis jedoch häufig vernachlässigbar, da die Adjudikationsentscheidung zumindest eine gute Basis für eine vergleichsweise Regelung des Konfliktes ist. Die Parteien haben so die Chance, sich von der Vergangenheit zu lösen und wieder zur Projektarbeit überzugehen, um Zukunftsaufgaben zu gestalten.

In der Abgrenzung unterscheidet sich die Adjudikation von der Schlichtung durch die Entscheidungskompetenz des Adjudikators. Die vorläufige Verbindlichkeit der Entscheidung unterscheidet die Adjudikation von Schiedsgutachten und Schiedsgerichten mit ihren endgültig verbindlichen und damit unanfechtbaren Entscheidungen.

b) Verfahrensordnung

Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau)

Adjudikationsordnung für Baustreitigkeiten (AO-Bau / Alpha)

Diskussionsvorschlag des Deutschen Baugerichtstag für eine Adjudikationsordnung für Baustreitigkeiten (AO-Bau / DBGT)

DIS-Verfahrensordnung für Adjudikation (DIS-AVO)

c) Muster

Adjudikatorenvertrag (Muster der DGA-Bau)

Adjudikatorenvereinbarung Parteien (Muster der DGA-Bau)