4. Gerichtliche Streitlösung
4.2 Güterichterverfahren
a) Verfahrensbeschreibung
Das länderabhängig u.a. bei den Zivil-, Arbeits-, Sozial- und Familiengerichten angesiedelte Güterichterverfahren soll den Parteien in geeigneten Fällen ermöglichen, mit Hilfe des neutralen Güterichters, der nicht zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen ist, unter Einsetzung moderner Methoden der Konfliktbeilegung, insbesondere auch der Mediation, eine eigenverantwortliche Lösung ihres Konflikts zu entwickeln, die der Güterichter auf Wunsch der Parteien auch in einem Prozessvergleich protokollieren kann. Das Verfahren ist freiwillig. Der Ablauf des Güterichterverfahrens wird individuell vom Güterichter unter Berücksichtigung der Parteien bestimmt, nachdem ihm der Streitrichter das Verfahren übergeben hat. Er wird sich jedoch i.d.R. am Verfahren der Mediation (Ziffer 2.2) orientieren. Nach einer Einführung und Vorstellung des Verfahrens sowie Abklärung weiterer wesentlicher Details, wie z.B. Verschwiegenheitsvereinbarung, wird auch der Güterichter sich den Sachverhalt aus der jeweiligen Parteiensicht erläutern lassen. Anschließend wird er versuchen, die hinter den gerichtlich geltend geachten Ansprüchen und ihrer Abwehr liegenden Interessen zu erforschen, um hierauf aufbauend gemeinsam mit den Parteien Lösungen zu kreieren und zu bewerten. Das Ergebnis kann dann, falls gewünscht, in einem Prozessvergleich protokolliert werden. Kommt keine Einigung zwischen den Parteien zustande, leitet der Güterichter die Akten wieder an den Streitrichter zurück.
Eine Stärke des Güterichterverfahrens ist, dass die Parteien zunächst ohne zusätzlich entstehende Kosten in einer kommunikationsfördernden Atmosphäre, d.h. nicht in einem herkömmlichen Gerichtssaal, und ohne Zeitdruck noch einmal versuchen können, eine selbstbestimmte Konfliktlösung unter Begleitung eines neutralen Dritten herbeizuführen, obwohl sie schon bei Gericht sind. Weitere Vorteile des Güterichterverfahrens sind, dass es anders als im gerichtlichen Verfahren keine Beschränkung auf den Streitstoff gibt, d.h., dass die Konflikte umfassender beleuchtet und geregelt werden können. Auch die Wahl der Mittel bleibt dem Güterichter überlassen. Er ist nicht an das Korsett eines Verfahrens der außergerichtlichen Streitbeilegung gebunden. Das Güterichterverfahren ist zudem nicht öffentlich und vertraulich. Schließlich ist die Fortsetzung des Gerichtsverfahrens jederzeit möglich.
Schwächen zeigt das Güterichterverfahren in dem zur Disposition stehenden zeitlichen Rahmen der Güterichter. Vielfach haben diese nur wenige Stunden an einem Tag und oft nicht an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen Zeit, so dass selten die Möglichkeit besteht, mehrere Tage unmittelbar hintereinander zu verhandeln. Auch die Gerichtskosten fallen bei einem Vergleich im Güterichterverfahren nicht günstiger aus als bei einer prozessualen Auseinandersetzung mit Vergleich.
In der Abgrenzung ist das Güterichterverfahren kein Entscheidungsverfahren wie das schiedsrichterliche Verfahren, die Adjudikation oder Dispute Boards. Von den anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren unterscheidet sich das Güterichterverfahren in erster Linie durch die Freiheit des Güterichters in der Wahl des Konfliktbeilegungsverfahrens. Während andere Verfahren in der Regel bestimmten Mustern folgen, ist der Ablauf eines Güterichterverfahrens insoweit offen, auch wenn es sich i. d. R. an der Mediation orientiert und der Güterichter versucht, seine juristische Einschätzung möglichst lange hinauszuzögern.