2. Außergerichtliche Streitlösung mit nicht entscheidungsbefugten Dritten
2.5 Anrufung der vorgesetzten Stelle nach § 18 Abs. 2 VOB/B
a) Verfahrensbeschreibung
Hinsichtlich des Verfahrens ist die Anrufung der vorgesetzten Stelle formlos möglich, solange wechselseitige Rechte und Pflichten bestehen, also auch noch während der Mangelverjährung. Anschließend folgt eine mündliche Aussprache, die von der vorgesetzten Stelle anberaumt wird. Nach der mündlichen Aussprache hat die vorgesetzte Stelle die Streitfrage möglichst innerhalb von zwei Monaten nach Anrufung zu bescheiden. Dieser Bescheid stellt ein verbindliches rechtsgeschäftliches Angebot der Behörde dar, das vom Auftragnehmer als rechtsverbindlich anerkannt gilt, wenn dieser nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Bescheids dagegen Einspruch erhebt.
Bei Verträgen mit Behörden hat § 18 Abs. 2 VOB/B das Ziel, das Anrufen eines Gerichts zu vermeiden und stattdessen zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten (unterschiedliche Rechtsauffassungen oder Meinungsverschiedenheiten über Mehrkosten aus Nachträgen und Bauzeitverlängerungen) die dem Auftraggeber unmittelbar vorgesetzte Stelle anzurufen. Da § 18 Abs. 2 VOB/B jedoch lediglich eine Soll-Vorschrift ist, bleibt der unmittelbare Weg zu den staatlichen Gerichten eröffnet.
Eine wesentliche Stärke der Anrufung der vorgesetzten Stelle liegt in der verjährungshemmenden Wirkung des geltend gemachten Anspruchs mit Zugang des Antrags bei der Behörde. Die Erfahrung zeigt, dass die vorgesetzten Stellen in vielen Fällen mit der notwendigen Objektivität an die Beurteilung der Meinungsverschiedenheiten herangehen und durchaus zu vertretbaren Lösungen gelangen.
Eine der Schwächen des Verfahrens ist, dass es nur rudimentär geregelt ist. So fehlt es an einer klaren Regelung zur Verfahrensdauer, denn eine Bescheidung sollte nur „möglichst“ innerhalb von zwei Monaten nach Anrufung erfolgen. Es besteht folglich kein Rechtsanspruch auf eine Anhörung oder gar Bescheidung innerhalb bestimmter Fristen. Ferner fehlen Begriffsdefinitionen, z. B. zum Begriff „Meinungsverschiedenheit“. Ein weiterer Nachteil des Verfahrens liegt in seinem Anwendungsbereich erst nach Vertragsabschluss. Außerdem ist umstritten, ob die Regelung auf Gemeinden oder Kommunalverbände anwendbar ist, da es dort keine „vorgesetzte Stelle“ i. S. von § 18 Abs. 2 VOB/B gibt. Für Meinungsverschiedenheiten vor Vertragsabschluss sind entweder die Nachprüfungsstelle, die Vergabeprüfstelle oder die Vergabekammer zuständig.
In der Abgrenzung zu anderen Verfahren mit nicht entscheidungsbefugten Dritten ist anzumerken, dass die vorgesetzte Stelle des Auftraggebers per Definition nicht unbefangen sein kann.